Wiederherstellung des barocken Reliquienumganges und weiterer Schätze in St. Pantaleon, Köln – Von Volker Hildebrandt

Grundriss Ostchor mit Umgang Hochchor und seitlichen Anbauten; von Süden (oben) nach Norden (unten): Südapsis, Katharinenkapelle, wiederhergestellter Umgang Hochchor, nördlicher Sakristeianbau

Beginnend mit den ersten Planungen im Frühsommer 2008 – der erste, verbindliche Kirchenvorstandsbeschluss hierzu wurde am 13.08.2009 gefasst – wurde bis zum Sommer 2010 der Chorumgang hinter dem barocken Hochalter in Stand gesetzt. Der Freundeskreis St. Pantaleon hat einen nicht unerheblichen Beitrag zur Finanzierung geleistet, und war auch sonst unterstützend mit dabei. Ohne den Freundeskreis wäre die Realisierung der Instandsetzung des Chorumganges nicht möglich geworden. Worum ging es dabei?

Der Nachkriegs-Wiederaufbau von St. Pantaleon ließ verschiedene Bereiche notgedrungen unberücksichtigt; unter anderem den Bereich hinter dem Hochaltar. Viele Jahre war dieser Raum zweckentfremdet Abstell- und Rumpelkammer; was der ursprünglichen Bedeutung dieses Ortes nicht entsprach. Darüber hinaus ist der Bereich um den Altar nach ältester Tradition „heiliger Ort“ und gehört den Heiligen. Er ist Ruhestätte derer, die Großes geleistet haben: Heilige, deren sterbliche Überreste (Reliquien) hier einen Ehrenplatz erhielten.

Nur noch wenigen war bekannt, dass St. Pantaleon zwei große und kostbare Wandreliquienschränke in säulenflankierten Steinrahmen aus der Zeit der ersten barocken Chorumgestaltung unter Abt Spichernagel (1607-1640) besitzt. In Vergessenheit geraten waren auch die Nischen auf der Rückseite des Hochaltares, in denen einmal die kostbaren mittelalterlichen Reliquienschreine der Heiligen Albanus und Maurinus gestanden haben.

Die Nischen für die Schreine sind zum Kirchenschiff hin geöffnet, wurden aber nach dem Krieg durch geschickt im Barockstil übermalte Sperrholzplatten provisorisch geschlossen. Auch von der Rückseite waren sie, wie die gesamte Rückfront des Hochaltars, mit Sperrholzplatten vernagelt. Bei der Restaurierung des Umganges hinter dem Hochaltar wurden sie wiederentdeckt.

Der nun vollständig wiederhergestellte Raum hinter dem Hochaltar lockt mit zusätzlichen Pretiosen. Künstlerisch hochwertig und aufwendig in Vollglasvitrinen werden hier nun Kostbarkeiten präsentiert, die den wechselvollen Verlauf der Jahrhunderte überstanden und nicht nur wegen ihrer Einmaligkeit hohen Wert haben: Unter anderem zwei kostbare Vortragekreuze.

Das älteste, mit eingraviertem Reliquienverzeichnis, entstand um 1170 in Köln. Das jüngere, aus dem 13. oder 14. Jahrhundert, schmückt ein mit höchster Qualität gemalter „Korpus Christi“, der in mühevoller Restaurierung hinter einem stark verkrusteten und kaum noch durchsichtigen Balsamharzfirnis wieder zum Vorschein kam.

Nach den aufwändigen Restaurierungs- und Instandsetzungsarbeiten sind dem Raum hinter dem Hochaltar seine ursprüngliche Würde und sein geheimnisvoller Glanz zurückgegeben.

Ein detaillierte Bericht über die Instandsetzung von Volker Hildebrandt.

Beim Wiederaufbau der romanischen Kirchen Kölns in der Nachkriegszeit wurden, ohne mit dieser Feststellung die beeindruckende Bauleistung dieser Jahre auch nur im Geringsten schmälern zu wollen, einige Bereiche der Gotteshäuser ausgeklammert und nur provisorisch oder überhaupt nicht wiederhergestellt. In St. Pantaleon gehörten zwei Bereiche im östlichen Hochchor dazu, deren Wiederherrichtung aus- oder unausgesprochen der in diesen Jahren heranwachsenden Nachkriegsgeneration überlassenen wurde: Zum einen ein Raum, der auf eine umfangreiche Umgestaltung der Ostpartie in drei Schritten vor 1216 zurückgeht.

Bei dieser Umgestaltung vor fast 800 Jahren wurde (a) der östliche Teil des Südannexes – vielleicht wegen der Verlegung des Theophanu-Grabes aus dem Westwerk dorthin – durch eine Gliederung der Südwand mit Kleeblattbögen auf Säulchen, durch einen Bogenfries und Laufgang und durch ein Kreuzrippengewölbe reich verziert. Wohl zeitgleich wurde (b) zwischen der Apsis des südlichen Annexes und der Südwand des Hochchores eine sogenannte Katharinenkapelle in Gestalt eines rudimentären Triconchos samt Krypta angebaut. Schließlich wurde an der Nordseite des Chores noch eine Sakristei errichtet.

Beim Nachkriegs-Wiederaufbau wurde die stark zerstörte Apsis des Südannexes ohne ihre ursprüngliche reiche Gliederung nur schlicht hoch gemauert. Vor allem wurde die Katharinenkapelle ohne jegliche Gestaltung des Innenraumes, dem insbesondere die Zwischendecke zur ehemaligen Krypta fehlt, in einem Zustand belassen, der sie durch eine Tür in der südlichen Seitenwand des Hochchores nur bedingt zugänglich sein lässt. Diese Katharinenkapelle wird seit Jahren von der Pfarrgemeinde zweckentfremdet als Abstellkammer genutzt, die man nicht nur neugierigen sondern auch ehrlich interessierten Blicken eines gewöhnlichen Kirchenbesuchers besser vorenthält.

Ein zweiter Bereich bewahrte bis zu seine Wiederherstellung im Jahre 2010 den „Charme“ einer solchen „Rumpelkammer“, in der ein verbeulter und aufgebrochener Aktenschrank aus Stahlblech neben einem „im Eigenbau“ in rohen Ziegeln gemauerten Regal stand; wo in zwei von der Vergänglichkeit gezeichneten, aber hochwertigen barocken Wandschränken die Hirtengewänder für das weihnachtliche Krippenspiel, die Sternsingergewänder und ähnliche Gebrauchsgegenstände aufbewahrt wurden. An langen Bambusstangen befestigte Staubwedel, alte und verzogene Aluminiumleitern und weitere sperrige, vor allem hohe Gegenstände – u.a. viele Jahre lang die hölzerne Frontseite des barocken Hochaltars, die gegen das Abendmahl-Antependium, das jetzt wieder im Kirchenraum hängt, ausgetauscht dort gelagert wurde –, waren hier dem unmittelbaren Blick von der Kirche aus zwar entzogen, widersprachen aber in jeder Form der eigentlichen Würde dieses Raumes. Die Rede ist vom barocken Chorumgang hinter dem Hochaltar, der durch zwei Türen, links und rechts neben dem Altar zugänglich ist.

Dieser Umgang stammt aus der Zeit der ersten barocken Chorumgestaltung zwischen 1620 und 1622, in der die Kirche St. Pantaleon unter Abt Spichernagel (1607–1640) durch den aus dem Elsass stammenden Baumeister Christoph Wamser, der insbesondere als Erbauer der Jesuitenkirche St. Mariä Himmelfahrt bekannt ist, barockisiert wurde. Unter seiner Regie wurden in die östliche Wand des Chores zwei kostbare Reliquien-Wandschränke in säulenflankierten Steinrahmen eingelassen. Diese steinernen, von innen in massiver Holzverkleidung gehaltenen Wandschränke mit schmiedeeisernen Gittern und davorliegenden Holztüren stehen in mittelalterlicher Tradition und sind in Renaissanceformen ausgeführt.

Diese hochwertigen Wandschränke waren nur noch wenig bekannt; und über Jahrzehnte war der barocke Reliquienumgang in einem beklagenswerten Zustand. Hinter den Zugangstüren führen zwei gefährlich schmale und hohe Treppen in rohem Betonguss zu dem etwa eineinhalb Meter hoch gelegenen Niveau des Umgangs, dessen Fußboden ebenfalls in rohem Gussbeton belassen war.

Eine in der Nachkriegszeit provisorisch mit Sperrholzplatten „vernagelte“. Rückseite des Hochaltares, drei überdimensionierte „Baumarkt-Baustrahler“ als viel zu helle Hintergrundbeleuchtung der Apsis, zahlreiche Elektrokabel wohl aus dem Anfang der neunziger Jahre mit Elektroschellen im unteren Sockelbereich auf Holz montiert, und nicht zurück gebaute Elektrokabel davorliegender Jahrzehnte waren Zeugen eines behelfsmäßigen Umgangs mit einem Raum offensichtlicher Würde, zu dessen Wiederherstellung neben der rechten Inspiration als Folge davon erst einmal auch Geld fehlte.

In diesem Zustand wurde der Chorumgang Jahrzehnte einem Schicksal ganz eigener Dynamik überlassen, die jedem bekannt ist, der hinter die Kulissen imposanter Barockaltäre hat blicken können. Kaum ein Küster, und auch nur wenige Pfarrer, können sich der Versuchung entziehen, den nicht weniger heiligen Raum unmittelbar hinter dem Altar wegen immer fehlender Stellfläche für sperrige Gegenstände, die nur selten im Gebrauch sind oder deren Zeit zum Entsorgen noch nicht gekommen ist, als vorübergehenden Abstellraum freizugeben. Die Kraft der Gewöhnung macht daraus einen Dauerzustand.

Von Msgr. Dr. Peter von Steinitz, Pfarrer an St. Pantaleon bis Ende 2007, ist zu erfahren, und in den Protokollen des Kirchenvorstandes und des Freundeskreises St. Pantaleon e.V. nachzulesen, dass die Aufstellung der beiden Schreine des Hl. Albanus und Maurinus links und rechts neben dem Lettneraltar mit einer gewissen Folgerichtigkeit dazu führten, sich nun auch der vernachlässigten Räume im östlichen Bereich der Kirche anzunehmen. Durch die Neuaufstellung der Schreine war die bisherige Nutzung des Kapitelsaales als Schatzkammer, in der neben den beiden Schreinen als Hauptexponate noch weitere, nicht unbedeutende Kleinodien aufbewahrt wurden, nicht mehr sinnvoll. Für ihre Aufstellung musste eine Lösung gefunden werden. Die Verbindung dieses Anliegens mit dem der Wiederherstellung der vernachlässigten Ostpartie schien sinnvoll und attraktiv.

Interessanterweise stand bei diesen Überlegungen zuerst die Wiederherstellung der Katharinenkapelle im Vordergrund. Bei ersten Vorschlägen und genauerem Hinsehen wurde deutlich, dass eine angemessene Wiederherstellung der Katharinenkapelle einen Aufwand mit sich bringen würde, der in keinem gesunden Verhältnis zum sonst Üblichen stand. Mit der Erneuerung der fehlenden Zwischendecke wäre auf kleinstem Raum ein Zugang zur darunterliegenden Teilkrypta zu schaffen, für den sich kein akzeptabler Vorschlag finden ließ. Zur Diskussion stand zwischenzeitlich auch ein Kryptazugang von außen, durch einen aufwändigen Außenmauerdurchbruch, der aber schnell wieder verworfen wurde. So wanderte der anfangs ausschließlich auf die Katharinenkapelle gerichtete Blick zusehends Richtung Umgang Hochchor als mögliche neue „Schatzkammer“ und „heiligen Bereich“ für die sterblichen Überreste der Heiligen, für die dieser Umgang in der ersten Barockisierung von St. Pantaleon einst gestaltet wurde.

Der Bereich um den Altar ist nach alter Tradition »heiliger Ort«. In vielen Kirchen erhalten hier Reliquien von Heiligen (über die im Altarsepulchrum geborgenen hinaus) einen Ehrenplatz, sodass dieser Bereich auch zu einer Ruhestätte derer wird, die in der Kraft des Glaubens Großes geleistet haben. Hier, wo das heilige Opfer gefeiert wird und wo in unmittelbarer Nähe Christus in den heiligen und verwandelten Gaben im Tabernakel geheimnisvoll, aber real gegenwärtig ist1, erwarten ihre sterbliche Überreste die Auferstehung der Toten, wenn der Herr am Ende der Zeit – wie durch den Evangelisten Matthäus angekündigt (vgl. Mt. 25, 31–46) – in Herrlichkeit und für alle sichtbar wiederkommen wird. Die Reliquien der Heiligen an gerade diesem Ort sind damit zwar stumme, aber nicht weniger beredte und ganz besondere Zeugen einer inneren Lebenshaltung, die einen tiefen Sinn über das irdische Leben hinaus vermittelt.

So nahmen 2003 die Planungen für eine Wiederherstellung des Chorumganges in ersten Entwurfzeichnungen der Innenarchitektin Ingrid Bussenius konkrete Gestalt an. Gespräche und Ortstermine wurden wahrgenommen. Kirchenvorstand und Erzbistum, vertreten insbesondere durch den Kunsthistoriker Dr. Martin Seidler, haben gemeinsam mit dem Freundeskreis St. Pantaleon e.V. die Umsetzung der planerischen Vorarbeiten vorangebracht. Auch der Förderverein romanischer Kirchen Kölns e.V. wurde frühzeitig über das Projekt informiert. Im Rahmen dieser Schritte wurden zudem ein Abtswappen und das barocke Grabmal des Hl. Bruno von 1749 in die Werkstatt der Restauratoren Karthäuserhof gebracht.

Das barocke Hochgrab des Hl. Bruno wurde 1749 zeitgleich mit dem Hochaltar und zwei weiteren Grabmälern – der Kaiserin Theophanu und des Abtes Hermann – errichtet.[1] Es stand ursprünglich in der Mitte vor den ersten Stufen zum Chorraum vor dem Fundort des ursprünglichen Brunograbes in der Krypta. Fotos aus der Zeit, als St. Pantaleon preußische Garnisonskirche war, zeigen es noch an gleicher Stelle.

1922 wurde das Grabmal in die nördliche Seitenapsis übertragen. Nach dem zweiten Weltkrieg stand das Grabmal bis kurz vor dem Besuch von Papst Benedikt XVI. in St. Pantaleon im Rahmen des Weltjugendtages 2005 im nördlichen Querhaus in der äußersten nordöstlichen Ecke.

Es war nicht zuletzt dieser hohe Besuch mit all den Vorbereitungen und dem außergewöhnlichen Engagement für diese einzigartige, weltweite katholische Jugendbegegnung, in deren Folge das Projekt „Umgang Hochchor“ ins Stocken kam. Ähnlich wie das Brunograb lagerte von da an auch das Abtswappen drei Jahre in der Werkstatt der Restauratoren und alle anderen Initiativen und Pläne waren erst einmal wie auf Eis gelegt.

Kurz nachdem der Verfasser dieser Zeilen 2008 ins Amt des Pfarrers von St. Pantaleon eingeführt war, wurde er vom Vorsitzenden des Freundeskreises St. Pantaleon e.V., Rainer Maedge, und kurz darauf von der Geschäftsführerin des Förderverein romanische Kirchen Köln e.V., Margrit Jüsten-Mertens, mit der Frage nach Wiederaufnahme und Fortführung des ihm bis dahin noch nicht näher bekannten Chorumgang-Projektes überrascht. Daraufhin war der Faden sehr bald wiederaufgenommen.

Als neuem Pfarrer war ihm vorab die Frage nach der Zugänglichkeit zum zukünftig wiederhergestellten Chorumgang wichtig. Der Bereich hinter dem Altar mit seinen seitlichen Zugängen in unmittelbarer Nähe des Tabernakels und des dort gegenwärtigen Herrn sind heiliger Boden und Raum. Er könne somit nicht einfach nur als Schatzkammer wiederhergestellt werden, die jedem offenstehe. Alle an diesem Projekt Beteiligtem haben dem ohne Einschränkung zugestimmt. Einvernehmlich wurde festgehalten, dass ein Zugang zu diesem Bereich nur Personen gewährt werden könne, die sich zumindest von der äußern Haltung auf die Besonderheit eines solchen Ortes einlassen können und wollen, den der christliche Glaube mit all dem verbindet, was ihm besonders heilig ist.

Diese nicht unwichtige Weichenstellung wurde von all den Gläubigen sehr begrüßt, die in St. Pantaleon zu den Gottesdiensten kommen und diese Kirche zum stillen oder auch gemeinschaftlichen Gebet oder zum Empfang der Sakramente aufsuchen. Mitglieder des Pfarrgemeinderates, denen der Glaubensvollzug in ihrer Pfarrkirche wichtig ist, beklagen wiederholt das unsensible Verhalten von Touristen oder nur kunsthistorisch interessierten Besuchern, die durch die Kirche laufen, als wären sie in einem Museum. Wenn etwa in Zeiten stiller Anbetung in Kirchbänken kniende Gläubige in ihrem ganzen Beten auf den geheimnisvoll in der Eucharistie, in der Monstranz auf dem Altar gegenwärtigen Herrn ausgerichtet sind, nehmen solche „Kirchenbesucher“ das manchmal überhaupt nicht wahr, laufen auch dann quer durch die Kirche bis vor den Altar und bewundern den herrlichen Lettner, bis einer der Betenden aufsteht und sie freundlich, aber auch entschieden bitten muss, „aus dem Weg zu gehen“ und mit der Besichtigung bis nach der Zeit der stillen Anbetung zu warten.

Wiederholt erleben wir – wohl nicht nur in St. Pantaleon – dem Gotteshaus nicht angemessene Führungen, wo es nur um Kunsthistorisches geht. Das Verhalten dieser Gruppen ist entsprechend. Gegen ähnliche Tendenzen muss man in gewissen Abständen auch bei manchen Konzert angehen. – Für katholische Gläubige wäre es unerträglich, wenn Personen oder ganze Gruppen ohne erkennbares Gespür für das Heilige, insbesondere für die eucharistische Präsens des Herrn im Tabernakel, auch noch vor und hinter dem Hochaltar herumlaufen würden. Davon wird am Ende noch einmal die Rede sein. Zunächst der Fortgang des Projektes.

Unmittelbar verantwortlich für alle Baumaßnahmen, Renovierungen oder Verschönerungen der Kirche ist der Kirchenvorstand. Dankenswerter Weise haben alle vom Kirchenvorstand dieses Projekt uneingeschränkt mitgetragen. Dazu hat wohl auch beigetragen, dass es bereits Jahre zuvor diskutiert worden war. Nach erneuter Sichtung der schon in diesen Jahren begutachteten Skizzen und Plänen stimmten alle darin überein, dieses Projekt nun erneut in Angriff nehmen und auch zum Abschluss bringen zu wollen. Natürlich war dem Kirchenvorstand die Sicherung der Finanzierung wichtig.

Nicht nur in dieser Frage, sondern bei allen entscheidenden Schritten der Projektrealisierung hat die Kirchengemeinde sich besonderes auf das Erzbistum Köln, vertreten durch den Kunsthistoriker Dr. Martin Seidler, verlassen können. Neben der finanziellen Unterstützung durch den „Förderverein romanische Kirchen Köln“ hat insbesondere er die Hauptfinanzierung durch das Erzbistum gesichert, zahlreiche Detaillösungen inspiriert und vorangebracht. Unter seiner Regie wurden in der Dombauhütte die „kleineren“ Schätze restauriert und für ihre zukünftige Aufstellung hergerichtet. Besonders erwähnenswert ist die Restaurierung des nun im Umgang neu aufgestellten Vortragekreuzes mit bislang noch unbekannter Herkunft und einer bemerkenswerten Bemalung aus dem 13. oder 14. Jahrhundert.

Der ausführliche Restaurationsbericht von Patricia Langen-Krautkrämer, Restauratorin im VDR, dokumentiert eine komplexe und schwierige Ausgangssituation.[2] Die in dem separaten Standfuß des Kreuzes eingravierte Jahreszahl 1854 anlässlich der Stiftung des Standfußes lässt vermuten, dass 1854 ein bis auf das Metall des Kreuzes überstrichener Überzug aus einem als „Terpenharz“ identifizierten Naturharz aufgebracht wurde, der im Zuge der Alterung sehr stark verbräunt und gedunkelt, und darüber hinaus unregelmäßig dick und stark verkrustet war. Das Erscheinungsbild war auffällig davon geprägt und die braune Schicht verunklärte die sehr feinlinige und äußerst qualitätvolle Malschicht, die im Hintergrund wie aus Lapislazuli erschien. Nähere Untersuchungen unter dem Mikroskop, mit UV-Lampe und durch Röntgenstrahlung ließen Malschichtlockerungen zwischen Malschicht und Grundierung, aber auch als Schichtentrennung innerhalb des Farbschichtaufbaus erkennen. Damit waren neben Konservierungs- auch Restaurierungsmaßnahmen nötig, um die hohe Qualität der miniaturartigen Bemalung auf einem weiterhin unbekannten, in einem Metallrahmen eingelassenen Trägermaterial, wieder erkennbar werden zu lassen. Röntgenaufnahmen des Trägermaterials lieferten keinerlei Hinweis auf einen hölzernen Bildträger. Vielmehr stellte sich das Trägermaterial als eine völlig homogene Masse dar, die keinerlei Strukturen aufweist. Nicht nur in dieser Sache besteht Klärungs- und Forschungsbedarf.

Während sich die Festlegung der Malschichtschollen in den oberen Sichtebenen mit Hausenblasenleim als relativ unproblematisch erwies, brachten Arbeitsproben mit dem gleichen Festigungsmittel zur Fixierung und Stabilisierung auf dem Trägermaterial keine befriedigende Ergebnisse. Besondere Mühe und Kopfzerbrechen brachte die Abnahme des verkrusteten Überzuges mit sich. Vorsichtigstes Ausprobieren und Suchen nach dem richtigen Lösemittel ergab, dass sich der unansehnliche braune Überzug nur mit dem flüchtigen Methylpyrrolidon so anlösen ließ, dass er schließlich mit Aceton abnehmbar war. Dieser Weg hätte aber das Eindringen von Lösemittel in das Malschichtgefüge ermöglicht. Um das zu vermeiden wurde in kleinsten Probefeldern mit einer mechanischen Dünnung des verkrusteten Überzuges mit Schleifpapier und auch mit dem Skalpell experimentiert. Auch dieses Ergebnis war nicht befriedigend. Der Schleifstaub des spröden und harten Überzuges setzte sich in den Tiefen der Verkrustung fest und bildete eine weißliche Oberfläche, die sich nicht mehr beseitigen ließ. Der Einsatz moderner Laser-Technik brachte nur auf den mit dem Überzug überstrichenen Randprofilen des vergoldeten Kreuzes, hier sogar sehr gute Ergebnisse, erwies sich sonst aber als unbrauchbar. Teilweise wurden durch diese Technik in den Probefeldern sogar Pigmentverfärbungen hervorgerufen.

Als die Hoffnung, das Miniaturgemälde restaurieren zu können, auf ein Minimum gesunken war, führte schließlich eine recht ausgefallene Verlegenheitslösung zu sogar guten Ergebnissen. Mit dem Einsatz von Kernseife und dem Nachbehandeln des angelösten Überzuges mit Ethanol konnte – allerdings nur kleinteilig und unter dem Mikroskop, und nur in vorsichtigen und kontrollierten mehreren Arbeitsschritten – der Überzug Schicht für Schicht reduziert werden. Es zeigte sich, dass selbst kleinste Details „gerettet“ werden konnten. Sie sind nun – teils nur mit Lupe! – wieder sichtbar, wie z.B. die Barthaare des Evangelisten Markus, die feine Zunge des Markuslöwen, die feinlinige Zeichnung und Schattierung beim Lendentuch, die Details um den nur etwa 3 cm breiten Titulus und die feine Strukturierung des Lapislazuli-Hintergrundes.

Kurz nach Beginn der Arbeiten im Umgang Hochchor kam aus der Werkstatt der Restauratoren Karthäuserhof auch das bereits erwähnte barocke Grabmal von Erzbischof Bruno in gut restauriertem Zustand wieder zurück nach St. Pantaleon und wurde nun ganz im nordöstlichsten Bereich des Hochchores unmittelbar vor der Innenwand aufgestellt. Der Restaurationsbericht von Georg Maul[3] dokumentiert, dass der Kern der Tumba mit Ziegelsteinen aufgemauert ist, auf dem der Stuckmarmor aufliegt; und dass die liegende Figur des Bruno im barocken bischöfliche Ornat im Inneren mit Brocken von Holzkohle aufgeschichtet und darüber stuckiert ist.

Das Hochgrab wies viele Kriegs- und andere Schäden auf. An manchen Stellen fehlte der Stuck vollständig, so dass nur noch Ziegelsteine sichtbar waren. Zahlreiche weitere, oft auch nur kleinere Schäden beeinträchtigten das Erscheinungsbild. Auch die liegende Figur war arg mitgenommen: Teile des Chormantels über dem linken Arm und linken Bein waren abgebrochen, die linke Hand fehlte, die Mitraspitze war zerbrochen und an einigen Gewandsäumen fehlten die Endungen oder Borten.

Die Restauration war umfassend: In Anlehnung an die ursprünglich schwarze Stuckierung wurde die Oberfläche des Steins mit Kreidegründen überzogen, geschliffen und poliert. Große Fehlstellen im Stuck wurden mit Mörtel geschlossen und die Oberfläche mit eingefärbtem Kreidegrund geglättet. Kleinere Fehlstellen konnten allein mit Kreidegrund geschlossen und geglättet werden. Die Fehlstellen der Liegefigur wurden mit Gipsmörtel nachmodelliert; die fehlende linke Hand in Ton modelliert und in Stuckgips abgegossen. Auch musste der verloren gegangene Sockel neu aus Tuffstein geschlagen werden. Als Vorlage diente notgedrungen ein Foto des zeitgleichen Hochgrabes von Abt Hermann. Zum Abschluss wurde der ebenfalls verloren gegangene Bischofsstab erneuert, vergoldet und eingesetzt.

Die Bauphase mit ihren vielfältigen Maßnahmen im Bereich des Umganges hinter dem Hochchor wurden vom durchführenden Architekten, Tobias Kröll[4], in seinem Statement anlässlich der feierlichen Eröffnung am 16. Juni 2010 treffend zusammengefasst. Es wird im Folgenden gekürzt wiedergegeben: „Zunächst vielen Dank für das entgegengebrachte Vertrauen in mein Büro, dass wir die Baumaßnahmen an der Gestaltung des Umgangs Hochchor begleiten durften. Ich sage bewusst Vertrauen, denn eine solche Bauaufgabe ist ganz einmalig und bedingt, anders als ich zugegebenermaßen erwartete, ein hohes Maß an Einarbeitungszeit: Beschäftigung mit dieser geschichtsträchtigen Kirche zur Findung der richtigen Entscheidungen für bauliche Veränderungen, auch wenn diese manchmal als unwesentlich und klein erscheinen mögen.

Eine große Hilfe war die Besetzung des Teams der Planer und ausführenden Firmen, für welche ich hier stellvertretend stehe. Mit der Bezeichnung ausführenden Firmen treffe ich nicht den Kern der Arbeitsqualität, vielmehr waren hier Restauratoren und Handwerksbetriebe tätig, die sich in einem ebenso hohen Maße wie die Planer mit der Bauaufgabe beschäftigen mussten. …

Unsere Aufgabe war, den adäquaten Raum mit reduziertem Materialeinsatz für die Ausstellungsinstallationen von Frau Bussenius zu schaffen. … Herr Dr. Seidler hatte von Anfang an die Vision der Entfernung der Sperrholzplattenverkleidung an der Rückwand des Hochaltars, und keiner wusste genau, was uns bei dieser Maßnahme erwarten würde.

Die heute hier wahrnehmbare Grundkonstruktion wurde komplett gereinigt, alle Einbauten, Anbauten, Kabel und Nägel entfernt. Die Konstruktion wurde auf das substanzielle Erscheinungsbild beschränkt. Mit Entfernung der Sperrholzplatten entdeckten wir die ursprünglichen Aufbewahrungsnischen für die Reliquienschreine. Die Nischen wurden gereinigt, lose Holzkonstruktionen befestigt, Bleiverglasungen zum Altar wie auch zum Chorraum neu erstellt. Auch diese Arbeiten wirken mit der Fertigstellung einfach und unspektakulär, doch bedingt es planerischen Aufwand, Holzfarben für die Fassungen, gegossene Gläser für die Füllungen, Sprossenaufteilungen in ansprechenden Teilungen herauszufinden.

Mit Beginn der Maßnahme waren die Holzkonstruktionen teilweise beschädigt, der Fries und auch der Sockel unvollständig. Die Holzkonstruktionen wurden ergänzt, die unvermeidbaren Elektrokabelverlegungen in einer angepassten Holzverkleidung verdeckt befestigt. Das Problem der bestehenden, im Randbereich sehr schmalen und kaum begehbaren Betontreppe wurde durch Montage einer Stahlwangenkonstruktion mit einem aufgesetzten geschmiedeten Geländer gelöst. So konnte zudem ein Standbereich auf der oberen Ebene entstehen, der die bessere Betrachtung der Exponate in den barocken Wandnischen ermöglicht. Die Betonflächen wurden nach verschiedenen Bemusterungen mit einem belgischen Blaustein – belgischer Granit – belegt. Die Fassungen, Türen und Gitter der barocken Wandnischen wurden in den Farbbefunden von den Restauratoren überprüft und in viel Kleinarbeit neu gefasst.

Anschließend wurde die Rückwand des Chorraumes in den verschiedenen Grau–Helligkeitsstufen so gestrichen, dass kein allzu deutlicher Farbunterschied zu den alten Bestandsanstrichen auffällt.

Hier an dem Umgang Hochchor waren teilweise bis zu 10 Handwerker parallel tätig; denn viele Ausführungen bedingten die Arbeit ‚Hand in Hand’. Ich möchte mich heute ganz ausdrücklich bei allen Firmen für die gute Zusammenarbeit und dem respektvollen Umgang mit der Kirche und dem Inventar bedanken. – Was wäre ein Umbau ohne Staub und Lärm? Auch hier war der Staub leider nicht ganz zu vermeiden. Daher den allerbesten Dank vor allem an Herrn Pfarrer Dr. Hildebrand für das Verständnis und die Ruhe gegenüber allen entstandenen Unannehmlichkeiten.“ Soweit die zusammenfassende Rückschau von Tobias Kröll.

Auf die Entdeckung der zwei Nischen im Hochaltar, in denen einmal die kostbaren mittelalterlichen Reliquienschreine der Heiligen Albanus und Maurinus gestanden haben, soll noch kurz eingegangen werden.

Nachdem Abt Everhard von Schallenberg in der zweiten Phase der Barockisierung (1747–49) den Hochaltar errichten ließ, wurden die Reliquienschreine in den Hochalter übertragen. In den schriftlichen Zeugnissen gibt es keinen Hinweis über den genauen Aufstellungsort; auch nicht über die beiden Nischen. Verdeckt durch die „Sperrholzvernagelung“ der Nachkriegszeit waren sie deshalb schnell in Vergessenheit geraten. Das Entfernen der Sperrholzplatten hat beide Nischen überraschend wieder zum Vorschein gebracht. Dabei wurde zudem festgestellt, dass die Nischen ursprünglich auch zum Kirchenschiff hin geöffnet waren. So konnten die heiligen Reliquien auch von dort aus verehrt werden. Diese Öffnungen wurden nach dem Krieg ebenfalls durch Sperrholzplatten recht provisorisch geschlossen und von der Sichtseite aus geschickt im Barockstil übermalt. So wusste vor der Restaurierung niemand mehr von diesen Reliquien-Nischen im Hochaltar.

Ihre „Wiederentdeckung“ schließt eine Überlieferungslücke. Nun ist als gesichert davon auszugehen, dass nach 1749 die beiden Schreine der Heiligen Albanus und Maurinus genau dort gestanden haben. Die Größe und die für beide Schreine passgenauen Maße dieser Hochaltar-Nischen legen dies zweifelsfrei nahe.

Nachdem sich Architekt und Restauratoren zum Verschließen beider Nischen durch eine Altglasverglasung zu beiden Seiten hin entschieden hatten, musste dann aber auch ein würdiger „Inhalt“ die leeren Nischen wieder füllen. Eine Rückübertragung beider Schreine der Heiligen Albanus und Maurinus erschien nach deren Neuaufstellung neben dem Lettneraltar vor einigen Jahren nicht wirklich sinnvoll. Man hätte sich auch sehr der Ironie der Geschichte preisgegeben, war es doch diese Neuaufstellung neben dem Lettneraltar, welche die Idee, nun auch den Umgang Hochchor zu restaurieren, entscheidend beflügelt hat (s.o.).

Sehr bald war in Absprache mit den Verantwortlichen in St. Maria Himmelfahrt würdiger Ersatz gefunden, der zudem zum Ausgleich einer noch offenen Rechnung führte. Beim Nachkriegsaufbau von St. Maria Himmelfahrt wurden nämlich zur Wiederherstellung des Hochaltares gleich mehrere Barockfiguren verwendet, die einmal im Längsschiff von St. Pantaleon gestanden haben, aber nach dem Wiederaufbau als romanische Kirche dort keinen Platz mehr hatten. So konnte Jahrzehnte später die noch offene Rechnung jetzt damit sinnvoll beglichen werden, dass zwei barocke Sammelreliquiare von Maria Himmelfahrt nun nach St. Pantaleon wechselten und fortan in den Reliquiennischen des Hochaltares eine würdige Aufstellung gefunden haben.

Bei genauem Hinsehen gab es dann noch eine kleine zweite Überraschung. Vom Umgang aus ist mit Blickrichtung zum Kirchenraum im linken Sammelreliquiar in seiner rechten Hälfte eine beschriftete Reliquie zu erkennen, die befestigt auf einem kreisförmigen, mit einer Borte besonders verziertem runden Stoff von den andern Reliquien hervorgehoben ist. In feinen und klaren Schriftzügen ist dort zu lesen. „St. Pantaleonis“. So ist durch diesen „Nachkriegstausch“ der Heilige Pantaleon mit weiteren seiner kostbaren sterblichen Überreste aus dem dritten Jahrhundert in der nördlich der Alpen erstmalig seinem Schutz anvertrauten Kirche präsent.

Der nun vollständig wiederhergestellte Raum hinter dem Hochaltar lockt mit weiteren Pretiosen; mit künstlerisch hochwertigen Kostbarkeiten, die den wechselvollen Lauf der Jahrhunderte teils nur als Fragmente überstanden und nicht nur wegen ihrer Einmaligkeit hohen Wert haben. Die aufwendige Präsentation in Vollglasvitrinen unterstreicht ihre Besonderheit. Neben dem schon beschriebenen Altarkreuz (s.o) steht nun in der mittleren Vitrine das um 1170 in Köln entstandene sogenannte „Albertuskreuz“, rechts und links davon verschiedene Fragmente von hervorragend gearbeiteten Emailtäfelchen und weitere Fragmente verloren gegangener Goldschmiedearbeiten von 1170/90, sowie ein Reliquiar in Gestalt einer spätgotischen Muttergottes mit Kind.

Ziel und Absicht diese Maßnahme gehen allerdings deutlich über die kulturell und kunstgeschichtlich interessante Neuaufstellung religiöser Schatzkunst hinaus. Sie ist in einer Kirche aufgestellt worden und eben nicht in einem Museum; zudem in einer, von aktivem religiösen Leben geprägten Kirche. Beten gehört hier zur Tagesordnung. Wenn auch einigen, so entgehen jedoch bei weitem nicht allen Besuchern die täglich mehrstündige Gesprächs- und Beichtangebote in der Kirche, die Feier von Gottesdiensten, Andachten usw.: Täglich zwei Heilige Messen, weitere Sonntagsmessen, Hochzeiten, Taufen, eucharistische Anbetung und Andachten passend zum Jahreskreis, religiöse Einkehr für unterschiedliche Zielgruppen, Glaubensgespräche und ähnliches prägen die Kirche. Sie ist ja für diesen Zweck errichtet worden.

Ein Museum kann nicht, wie eine Kirche mit gläubigem Leben, einen Rahmen anbieten, in dem religiöse Schatzkunst ganz aus einer Sichtweise wahrnehmbar wird, aus der heraus sie einst geschaffen wurde. Kunst trägt gewiss einen hohen Wert in sich selber und ist deshalb in einem hohen Maß auch zweckfrei; aber nicht grenzenlos. Für religiöse Kunst gilt dies besonders. Sie ist nicht Selbstzweck. Sie gilt einem Höheren, will dafür öffnen und erbauen. – Inwieweit das sogar für alle Kunst gelten mag, sei dahingestellt.

Religiöse Kunstwerke jedenfalls werden nicht für ein Museum geschaffen, sondern oft sogar unmittelbar für die gottesdienstliche Ausschmückung. Erst aus dieser Perspektive wird religiöse Kunst in ihrer eigentlichen Größe erfahrbar. So ist und bleibt es spannend, den Brückenschlag vom exklusiven, in sich selber stehenden Kunstinteresse zum umfassenderen Ganzen zu versuchen. Konkret heißt das: Eine Kirchengemeinde wird sich bemühen, ihr vorrangig religiöses Interesse an ihrer Kirche auch einem primär nicht religiös orientiertem Kunstinteresse so weit zu öffnen, dass eine umfassendere Ganzwahrnehmung ihrer Schatzkunst möglich wird. Damit sind zugleich die Grenzen ihrer Öffnung vorgegeben. Sie müssen ausgelotet, erprobt und dann auch eingehalten werden. Würde eine Kirchengemeinde einem zweckneutralen Kunstinteresse Tür und Tor öffnen, und ihm damit unausgesprochen sogar den Vorrang geben statt Gott zu huldigen, gäbe sie genau diese Möglichkeit der Ganzwahrnehmung religiös motivierter Kunst ja wieder auf.

Das ist von der Theorie her eine spannende Gradwanderung, die allerdings von der Praxis her gut zu bewältigen ist, weil unvoreingenommenes Kunstinteresse sich gewöhnlich auch ungeteilt dem Kunstwerk öffnet. Der religiöse Kontext gehört nun einmal zu dieser Kunst dazu. Deshalb ist es nicht unangemessen, wenn der Verantwortliche einer Kirchenführung vor dem Allerheiligsten seine Knie beugt und dann auch erklärt, warum er das tut. Wenn er in dieser Weise seine Erläuterungen zu den Kunstgegenständen mit dem zugrunde liegenden christlichen Glauben ansprechend verbindet, öffnet er mit der sachgemäß richtigen Einordnung dieser Kunst auch die religiöse Dimension über das Kunstwerk hinaus.

Die bisherige Praxis mit dem bislang leider immer noch fast durchgehend verschlossenen und alarmgesicherten Umgang zeigt, wie es so funktionieren kann. Die Gruppen sollten nicht zu groß sein. Eine angebrachte und gut vorbereitete Erläuterung vor dem Begehen des Altarbereiches bewirkt ein zumindest nach außen hin adäquates Verhalten. Der Raum selber hinter dem Hochaltar hat etwas Erhabenes und Feierliches an sich. Er spricht und erklärt sich so auch selber. Wenn es gelingt, die diesem Raum eigene Sprache mit den notwendigen Erläuterungen in Übereinstimmung zu bringen, was auch von den Besuchern abhängt, dann wirkt eine Begehung noch lange nach.

Sehr gute Erfahrung hat der Verfasser bei Taufen gemacht. Am Ende lädt er die Taufgemeinde, die während der Feier die Heiligen als Vorbilder und Fürsprecher – besonders die Namenspatrone – angerufen hat, sehr gerne ein, ihren heiligen Reliquien noch einen Besuch abzustatten. Die Rückmeldungen, manchmal auch erst Tage später, signalisieren, dass manches angekommen ist und noch nachwirkt.

Auch bleibt die gottesdienstliche Nutzung und Erschließung dieses Umganges eine Aufgabe, die erst begonnen hat. Am Fest Allerheiligen etwa pilgert nun die Gottesdienstgemeinde nach dem Schlusssegen zu den Heiligen und durchschreitet den Umgang mit ihren Reliquien, um sie auf diese Weise zu ehren und sich ihrer Fürsprache vor Gott anzuvertrauen. Seit einiger Zeit gehört die Miteinbeziehung des Umganges in das Programm einer monatlichen Führung durch die Kirche, zu der junge Christen aus St. Pantaleon die als katholisch gemeldeten Christen ihres Alters (zwischen 20 und 35 Jahren) – und davon gibt es hier in der Südstadt eine ganze Menge – straßenweise einladen. 5 bis 10% der Eingeladenen kommen. Nach diesen bislang sehr gelungene und wohl auch interessanten Führungen durch die Kirche (Sonntags nach dem Hochamt) und anschließendem Brunch wissen die Eingeladenen zumindest, wofür sie bislang und hoffentlich auch noch in Zukunft Kirchensteuern zahlen.

Sowohl die Reliquien als auch die ursprünglich für den Gottesdienst hergestellten Kunstwerke sind an diesem Ort nach Meinung und bisheriger Erfahrung des Verfassers weitaus besser aufgehoben als in jedem Museum. Der wiederhergestellte Umgang hinter dem Hochaltar birgt die große Chance, ganz unterschiedlichen „Kirchenbesuchern“ manches zu erklären und so die Vorraussetzung für ein neues Gespür im Umgang mit sakraler Kunst wieder zu wecken.

Der Verfasser hofft sehr, in absehbarer Zeit weitere Personen als Kirchenaufsicht „engagieren“ zu können, um unter den weiter oben genannten Vorraussetzung Besuchern auch außerhalb besonders darauf abgestimmter Führungen Zugang zu diesem außergewöhnlichen Bereich zu gewähren.

Nach den aufwendigen Restaurierungs- und Instandsetzungsarbeiten sind dem Raum hinter dem Hochaltar seine ursprüngliche Würde und sein geheimnisvoller Glanz zurückgegeben. Alle an diesem Projekt Beteiligten haben eine Arbeit geleistet, die sich sehen lassen kann. Der wiederhergestellte Umgang hinter dem Hochaltar stellt einen beachtlichen Gewinn für die romanischen Kirchen Kölns und das einzigartige Kunstprofil dieser Stadt mit seiner spezifischen Religions- und Geistesgeschichte dar.

[1] Paul Clemen, Kunstdenkmäler der Stadt Köln, 7. Band, Düsseldorf 1992, S. 533

[2] Die folgenden Ausführungen über die Kreuzrestaurierung sind teils wörtlich den ausführlichen Untersuchungsberichten, dem Konservierungs- und Restaurierungskonzept, sowie dem schriftlichen und fotografischen Abschlussbericht vom 06.10.2010 von Patricia Lange-Krautkrämer, Restauratorin im VDR (Atelier: Paulusstr. 19, 53227 Bonn) entnommen.

[3] Die Ausführungen über das Brunograbmal sind teils wörtlich dem Abschlussbericht von Georg Maul, Restauratoren Kartäuserhof GbR (Kartäuserhof 7, 50678 Köln) vom November 2009 entnommen.

[4] Tobias Kröll, freier Architekt (Rheinbacher Straße 37, 53340 Meckenheim).